Geschichtliches

Geschichte der Martinskirche

  • add496 bis 845: Alemannen und Franken

    Die älteste Kirche, die Großbottwar besitzt, ist die Kirche, die von Anbeginn an dem Heiligen Martin geweiht war. Bereits in der Zeit zwischen 540 und 550 wurde an dem Platz, wo heute die Steinkirche steht, eine bescheidene Holzkirche errichtet.
    Nach dem Eindringen der Franken in alemannisches Gebiet, ausgelöst durch die für das fränkische Heer unter König Chlodwig I. siegreich beendete Schlacht bei Zülpich im Jahr 496, erfolgte die Christianisierung der Alemannen, die damals unser Land bewohnten.
    Mit Unterstützung irischer Mönche, die der König ins Land holte, gewann das Christentum sehr rasch an Boden. Die neuen Grundherren wurden durch königlichen Be­fehl angewiesen, in den größeren Alemannensiedlungen christ­liche Kultstätten, das heißt, Altäre zu bauen, an denen die Men­schen ihren neuen Glauben bekennen und erleben können soll­ten.
    So entstand in der Alemannensiedlung ,"Bodebura" eine aus Holz gebaute Kirche am Rande des Orts, direkt neben dem Rossbach, heute Kleine Bottwar genannt. Der Bauherr war der Grundherr, der Gaugraf des Murrgaus aus Ingersheim. Diese Kirche war ein einfaches Gebäude, in dem ein Altar zur Anbetung Gottes aufgestellt war. Auch dieser war wohl aus Holz.
    Über das Leben der Menschen und das "kirchliche Leben" in dieser Zeit sind keine genauen Angaben zu finden. Man kann aber wohl annehmen, dass der Ort, der ausschließlich westlich des Baches lag, etwa 300 bis 400 Einwohner zählte, die sich von Landwirtschaft und Jagd ernährten.
    Ihre vorchristliche Kultstätte befand sich auf dem Galgenberg, wo auch Thing ge­halten wurde, den der Alemannenfürst für die ganze weitere Umgebung abhielt. Nach heutigen Begriffen war die Kirche sehr schmucklos. Es gab weder Glocken noch Orgel noch sonst eine Einrichtung, die die heutigen Kirchen kennzeichnen. Der Turm war höchstens eine Andeutung eines solchen.
    Zwei Dinge waren jedoch wichtig: Die Richtung des Baues geschah in Ost-West und von nun an erfolgte die Grablege mehr und mehr im direkten Umfeld der Kirche und auch nicht mehr mit Grabbeigaben. Außerdem war es üblich, die Kirchen zu weihen, meist einem be­sonderen Heiligen, einem Apostel oder Jünger Jesu und manch­mal auch der Mutter Gottes. Was lag nun aber hier näher, den Heiligen Martin in Anspruch zu nehmen, der ja der Stammeshei­lige der Franken war, und dieser Name blieb bis auf den heutigen Tag erhalten. Dieses Kirchengebäude war, da es aus Holz aus den hiesigen Wäldern gefertigt war, sehr stark der wechselnden Witterung ausgesetzt. Es musste im Lauf der Zeit öfters ausgebessert werden. Der Gaugraf überprüfte die notwendigen Maßnahmen meist selbst, doch war nach etwa 300 Jahren ein Neubau notwendig. Auch darüber gibt es keine genauen Angaben. Man ist also auf eine Rechenkombination angewiesen.

    Im Jahr 779 wird in einer Schenkungsurkunde wird das Dorf um die Kirche mit dem latinisierten Namen boteburon erstmals erwähnt.

  • add845 bis 906: Graf Ado von Bodibura und seine Gemahlin Dedda

    In den Jahren 845 – 860 wurde in Bottwar, so nannte man das Gebiet östlich des Baches, das Kloster errichtet, das mit dem Dorf Bodibura nichts zu tun hatte. Die nötigen Grundstücke gin­gen durch Schenkung an den Abt Waldreich zu Murrhardt, der damit auf der Ostseite des Rossbaches in den Besitz eines ,,Abtsguts” kam.
    Um dieses Kloster herum ist dann 400 Jahre später die Stadt Bottwar gebaut worden, gegründet durch die Freiher­ren von Lichtenberg. Nach dem Klosterbau sollte aber das inzwischen zum Dorf herangewachsene Bodibura nicht untergehen. Das hat den Grafen Ado von Bodibura und seine Gemahlin Dedda bewogen, sich der zerfallenden Martinskirche anzunehmen. Da sie wahrschein­lich kinderlos waren, und damit keine direkten Erben hatten, schenkte der Graf Ado im Jahr 873 dem Heiligen Cyriakus in Neuhausen bei Worms einen Großteil seiner Güter und die Grä­fin Dedda bedachte mit ihrem Geld die Kirche in Bodibura.
    Dies ermöglichte zum Ende des 9. Jahrhunderts einen Neubau. Für die Franken und die Alemannen galt der Platz, auf dem eine geweihte Kirche stand, als heilig, was dazu führte, dass auch die zweite Kirche dort erbaut werden musste, nachdem die er­ste abgerissen war. Sie war ebenfalls aus Holz, jedoch viel grö­ßer als die erste und auch bereits mit einem kleinen Turm auf der Ostseite der Kirchenhalle versehen. Den Turmaufbau hatte man den Türmen der Burgen, also den Wohngebäuden des höheren Adels entnommen. Dort galten sie als erhöhter Ausguck, bei der Kirche aber hatte der Turm, so­lange noch keine Notwendigkeit für die Aufnahme von Glocken bestand, nur symbolischen Charakter.
    Für ihre gutherzige Tat wurde die Gräfin Dedda dadurch ausge­zeichnet, dass sie nach ihrem Ableben eine Begräbnisstätte innerhalb der Kirche erhielt. Ein Grabstein, der auch in der später folgenden Steinkirche erhalten blieb, ist bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts nachweisbar. Vermutlich war er noch bis zum gro­ßen Kirchenumbau im Jahr 1791 vorhanden. Auf dem Grabstein war die Inschrift unserer ,"nobilis matrona Dedda" zusammen mit ihrem Todestag, dem 6. September 906, eingemeißelt. Die ganze Inschrift lautet:

    "ANNO DOMINI NONGENTESIMO SEXTO VIII IDUS SEPTEMBRIS OBIIT DEDDA NOBILIS MATRONA NATA DE HOWENSTAUFFEN CUIUS ANIMA REQUIESCAT IN PACE"

  • add1247 bis 1279: Die Herren von Lichtenberg

    Im östlichen Mündungsdreieck zwischen Kleiner Bottwar und Bottwar beginnen die Herren von Lichtenberg irgendwann zwischen 1247 und 1279 mit der Anlage einer befestigten Stadt. Ihr latinisierter Name Bothebur taucht in einer Urkunde vom 5. Mai 1279 erstmals auf.

    In derselben Urkunde wird zum ersten Mal in der Geschichte auch die Martinskirche erwähnt. In Unterscheidung zu der innerhalb der Stadtmauern erbauten neuen Allerheiligenkirche, der Hauptkirche der Stadt, wird sie als „die ältere Kirche“ bezeichnet. Dies bedeutet: Die damals ältere und kleinere Martinskirche ist weiterhin die Kirche für das außerhalb der Stadtbefestigung verbliebene Dorf Bottwar. Und: Sie ist älter als die Stadt! Der massige Turmsockel, zweifellos der älteste noch erhaltene Teil der Kirche deutet auf eine Erbauungszeit während der spätromanischen Epoche, etwa um die Wende des 12. zum 13. Jahrhunderts hin.

  • add1495 - 1750: Erste Umbauten

    Eine Lageskizze, aus Anlass der ersten Umbaumaßnahmen gefertigt, zeigt einen Steinbau vom Typ der seinerzeit weit verbreiteten romanischen Ostchorturmkirchen, deren Schiff stets nur wenig breiter war als der Turm. Die Kirche ist von einem ummauerten Kirchhof umgeben, in dem auch Fruchtvorratshäuser zu sehen sind, sogenannte Gaden.

    Man vergrößert 1495 das Kirchenschiff im Grundriss auf die heute noch bestehenden Außenabmessungen. Der Turmaufsatz erhält die jetzige Form. Im Chor baut man außer den gotischen Fenstern auch ein Netzrippengewölbe ein, dessen drei Schlusssteine Maria mit dem Kind zeigen sowie die Kirchenpatrone St. Martin und St. Leonhard. Schließlich wird noch eine Sakristei mit Kreuzgewölbe und Strebepfeiler angefügt. - Nach dem Umbau übernimmt die Martinskirche zunehmend die Funktion der Hauptkirche, während die nunmehr kleinere Stadtkirche nur noch als Frühmesskapelle dient.                                                                        

    1570/80 wird der heutige Kuzifixus angebracht.
    1596 wird die erste Orgel eingebaut, verfertigt von Michael Schmied, Stuttgart.

    In der 1.Hälfte 18.Jh. wird der bisherige Kirchhof aufgegeben. Außerhalb der damaligen Besiedlung wird im Bereich der während des 30-jährigen Krieges zerstörten Frauenkirche ein Friedhof angelegt.

    Die Großbottwarer Familien Kapf und von Dachröden lassen in der Martinskirche Epitaphe aufstellen bzw. anbringen.

  • add1791/1792: Die Martinskirche erhält ihr heutiges Aussehen

    In der Übergangszeit vom Barock zum Klassizismus werden das Kirchenschiff mit den Emporen, sowie Kanzel und Sakristei neu erbaut. Die Kirche erhält wenige Jahre danach eine neue, auf die Räumlichkeiten genau abgestimmte Orgel des Orgelbaumeisters Weinmar.

    Seit diesem Umbau hat sich die Kirche äußerlich kaum mehr verändert.

  • add19. Jahrhundert bis heute

    1897 werden zwei Eisenöfen eingebaut, um das Schiff zu beheizen.

    Durch den Anschluss der Kirche ans Stromnetz im Jahr 1906 werden Beleuchtung und Antrieb des Orgelmotors auf Elektrizität umgestellt.

    1957 erfolgt eine gründliche Renovierung des Schiffes, wobei auch ein neues Gestühl mit Bankheizung in veränderter Aufstellung eingebaut wird. Der Altar wandert vom Schiff in den Chorraum.

    Die Weinmar-Orgel wird 1972 überholt, wobei Prospektfront und Gehäuse, sowie der Schwellkasten und der Pfeifen von der alten Orgel übernommen werden.

    1976 erfolgt eine weitere Innensanierung: Die Farben an den Wänden und am Netzgewölbe werden sorgfältig aufgefrischt. Marmorierung der Säulen und der Emporenbrüstung.

    1987/88  ist eine gründliche Überholung und Renovierung der Kirche von außen nötig. Das völlig erneuerte Kirchturmdach erhält eine neue vergoldete Kugelspitze.

    Bei der nächsten Innensanierung im Jahr 2000 wird der Farbanstrich an der Decke erneuert und eine neue Beschallungsanlage eingebaut. Die beiden Epitaphe werden restauriert.

    2009 muss die Orgel erneut überarbeitet werden. Auch diesmal wird die historische Prospektfront von 1791 erhalten, aber mit neuen Pfeifen versehen. Vier Register der alten Orgel können ebenfalls überarbeitet und in die neue Orgel übernommen werden.

     

Großbottwarer Kirchengeschichte(n)

  • addDie Pfarrer in Großbottwar von der Reformation bis heute
  • addPfarrer Johann Geyling und die Reformation in Großbottwar

    „Der Glaube trägt schon den Himmel auf dem Rücken und bringt das ewige Leben mit sich.“
    Dieser Satz war für Johann Geyling Leitwort ein ganzes Leben lang. Diese Überzeugung hatte und lebte er seit seiner Studienzeit bei Martin Luther in Wittenberg, auch wenn er den Himmel auf Erden nie gehabt hat. Denn nach seinen Studien in Wittenberg und Tübingen muss er wegen seines Glaubens in die Grafschaft Löwenstein ausweichen, weil in Württemberg der katholische Kaiser regiert und alle mit der Todesstrafe bedroht, die im Sinn Luthers predigen und wirken. Aber in Löwenstein ist Geyling nur drei Jahre lang Pfarrer, dann kann auch der Graf von Löwenstein ihm keinen Schutz mehr bieten. Die weiteren Stationen Montbeliard, Hohentwiel, Heidelberg, Schwäbisch Hall sind nur von kurzer Dauer. Unter dem Schutz des Markgrafen Georg von Brandenburg-Ansbach ist Geyling dann für ein paar Jahre Pfarrer und Superintendent in Feuchtwangen. Trotz viel Widerstand gegen ihn persönlich und den damit verbundenen Unannehmlichkeiten kann er dort und in der Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach die Reformation einführen. Als Geyling und seine Familie 1534 nach Württemberg zurückkehren können, wird er Pfarrer in Weinsberg. Dort stirbt seine Frau und er geht eine neue Ehe ein. Aber weil er nach dem Sieg des katholischen Kaisers über die evangelischen Fürsten nicht unterschreibt, wieder als katholischer Pfarrer zu wirken, wird er wieder arbeitslos, darf sich aber in Löwenstein aufhalten. Die Zeiten für Geyling werden erst ruhiger, als er im März 1552 Pfarrer in Großbottwar wird. Aber auch hier gilt es, zuerst einmal Aufbauarbeit in der Gemeinde zu leisten, die völlig am Boden liegt. Mit allem Einsatz muss Geyling seinen Gemeindegliedern in Großbottwar vorleben und sagen: „Der Glaube trägt schon den Himmel auf dem Rücken und bringt das ewige Leben mit sich.“ Das ist mehr, als den Himmel auf Erden zu haben.

    (Pfr. i. R. Heinrich Kuttler)

  • addWie wir evangelisch wurden

    Wie wir evangelisch wurden. Reformation in Großbottwar und im Bottwartal.

    Vortrag am 24.10.2017 von Prof. Dr. Hermann Ehmer, Stuttgart, im evangelischen Gemeindehaus Großbottwar.

    Der Referent war Leiter des Archivs der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und lebt heute im aktiven Ruhestand. Bis 2012 hatte er einen Lehrauftrag für württembergische Kirchengeschichte an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Tübingen.

    Zu Beginn seines Vortrags ging Ehmer auf die weltlichen Obrigkeiten Anfang des 16. Jh. im Bottwartal ein und zeigte die verschiedenen Herrschaftsbereiche in dieser Gegend auf. Die beiden Ämter Bottwar und Beilstein gehörten zum Herzogtum Württemberg, Schmidhausen hingegen zur Grafschaft Löwenstein, auf dem Lichtenberg herrschte die Adelsfamilie von Weiler, das Stift in Oberstenfeld besaß das Dorf Winzerhausen, das Adelsgeschlecht derer von Plieningen den Ort Kleinbottwar. In Steinheim hatte das Dominikanerkloster Mariental die Ortsherrschaft.

    Bei der kirchlichen Situation ist zu beachten, dass Beilstein und die Oberstenfelder Peterskirche zum Bistum Würzburg gehörten, das Bottwartal abwärts jedoch zum Bistum Speyer. Ferner gab es verschiedene Patronatsrechte, also das Recht den Pfarrer einzusetzen. In Beilstein war das der Johanniterorden, in Großbottwar das Benediktinerkloster in Murrhardt.

    In der vorreformatorischen Zeit, führte Ehmer aus, waren an den Kirchen durch fromme Stiftungen viel mehr Geistliche tätig als heute. Kaplane und Priester waren damals Anlernberufe die kein Universitätsstudium erforderten. Ferner wurden Ende des 15. Jh. (in Großbottwar 1496) Prädikaturen mit einem ausschließlichn Predigtauftrag geschaffen, die einen akademischen Abschluss erforderten. Diese wurden für die Reformation wichtig, weil die Gottesdienstform der Prädikanten für den reformatorischen Predigtgottesdienst übernommen wurde.

    Die Verhältnisse der Umbruchzeit vom Mittelalter in die Neuzeit waren hierzulande sehr bewegt. Beim Aufstand des „Armen Konrad“ 1514 machte Herzog Ulrich von Württemberg gemeinsame Sache mit der Oberschicht und schloss den Tübinger Vertrag ab, der dem Landtag das Steuerbewilligungsrecht zuerkannte. In Bottwar solidarisierte sich der Pfarrverweser Peter Gscheidlin mit dem gemeinen Volk und wurde deshalb vom Abt von Murrhardt nach Erdmannhausen versetzt. Er wurde 1534 dort der erste evangelische Pfarrer.
    Elf Jahre nach dem „Armen Konrad“ kam es zum Bauernkrieg infolge von Unterdrückung, wirtschaftlicher Not und sozialen Elends der Bauern. Hinzu kamen Missstände in Adel und Klerus. Diese hatte Martin Luther schon 1517 angeprangert, als er seine 95 Thesen in Wittenberg veröffentlichte.

    Am Ostersonntag 1525 jagten die Bauern in Weinsberg über ein Dutzend Adlige durch die Spieße, was als die Weinsberger Bluttat bekannt wurde. Einen Tag darauf wurde der Großbottwarer Ratsherr Matern Feuerbacher auf dem Wunnenstein zum Anführer des Bauernhaufens gewählt. Er gehörte dem gemäßigten Flügel an, bald folgten ihm über 10.000 Bauern, bekannt als der Helle Christliche Haufen. Am 12.05.1525 wurden die Bauern trotz Überzahl in der Böblinger Schlacht vernichtend geschlagen.

    Herzog Ulrich, der 1519 aus seinem Land vertrieben worden war, versuchte 1525 im Zuge des Bauernkrieges vergeblich sein Land zurückzugewinnen, was ihm erst 1534 mit Hilfe des hessischen Landgrafen Philipp I. in der Schlacht bei Lauffen gelang. Er führte umgehend im ganzen Land die Reformation ein und berief dafür die beiden Geistlichen Erhard Schnepf und Ambrosius Blarer. Die Messe wurde abgeschafft, die Heiligenbilder wurden in geordneter Weise entfernt und die entbehrlichen Gottesdienstgeräte und -ornate eingezogen. Wer von den Geistlichen bereit war, im Sinne der Reformation zu predigen, wurde übernommen, die anderen wurden entlassen. Protestantische Pfarrer von außerhalb Württembergs füllten die Lücken.
    Ehmer führte aus, dass die Reformation mit einer großen Stellenreduzierung der Geistlichen einherging. In Großbottwar gab die Pfarr- und die Predigerstelle und drei Kaplaneien. Die letzteren fielen ersatzlos weg. Der erste evangelische Pfarrer in Großbottwar hieß Gregor Arnolt und war von 1534 bis 1540 im Amt. Im Allgemeinen sei zu beobachten gewesen, dass die erste Generation der Reformationspfarrer ein sehr unstetes, entbehrungsreiches und unruhiges Leben führen musste.

    Kaiser Karl V. wandte sich nach Beilegung seiner Konflikte mit dem Papst und dem französischen König als entschiedener Reformationsgegner der Situation in Deutschland zu. Nach dem Scheitern der Bemühungen um einen Ausgleich mit den Protestanten kam es zum Schmalkaldischen Kriegs (1546). Dies hatte Auswirkungen bis nach Großbottwar, da die Stadt an Weihnachten 1546 von den kaiserlichen spanischen Truppen geplündert wurde. Stadtschreiber Ulrich Vaihinger berichtet davon im sogenannten Elsenbuch, das in der Geyling-Ausstellung im Rathaus im Original zu bewundern war.

    Der Kaiser wollte nach dem gewonnenen Schmalkaldischen Krieg mit dem Augsburger Interim (1548), einer Zwischenlösung des Religionskonflikts, die protestantischen Reichsstände wieder der katholischen Kirche zuführen. Hierbei gab es Zugeständnisse bei der Priesterehe und bei der Austeilung des Abendmahls in beiderlei Gestalt. Pfarrer, die sich gegen das Interim erklärten, wurden entlassen, wie z.B. Peter Venetscher in Großbottwar. Dieser kam aus dem Schweizer Rhônetal und war 1545-1548 im Amt. Erst 1552 konnte mit Johann Geyling die Stelle wieder besetzt werden. Er wirkte als Pfarrer bis 1559 und erlebte 1555 den Augsburger Religionsfrieden, der eine Koexistenz der beiden Konfessionen rechtlich festschrieb. Damit war in Deutschland der vorläufige Abschluss des Reformationszeitalters gekommen.
    Im Jahr 1550 starb Herzog Ulrich von Württemberg und sein Sohn Christoph folgte ihm in der Regierung nach. Er trieb die Reform der Landeskirche voran, sie wurde in der „Großen Kirchenordnung“ von 1559, einem rechtlichen Grundlagenwerk, besiegelt. Wichtigster Berater in religiösen Fragen war der Reformator Johannes Brenz, der zuvor in Schwäbisch Hall tätig gewesen war.

    Die Pfarrerbesoldung wurde neu geregelt. Patronatsrechte wurden nach Möglichkeit abgelöst. So kaufte im Jahr 1555 der Herzog dem Kloster Murrhardt dieses Recht für Großbottwar ab.
    Die größte Veränderung im kirchlichen Leben war die Ablösung der Messe durch den Predigtgottesdienst, das Verbot des Heiligen- und Marienkults sowie die Einführung des Glaubensunterrichts (Katechismus). Hierfür wurden Schulen, die es zuvor nur in Städten gab, auch auf dem Land eingerichtet.

    Zum Schluss seines Vortrages ging Ehmer noch kurz auf die verschiedenen Orte im Bottwartal ein und zeigte auf, wie sie evangelisch wurden. In Beilstein beklagte sich die Gemeinde über ihren bisherigen Pfarrer und sie schlug gleich als Nachfolger den Reformator Valentin Vannius (Wanner) vor. In Oberstenfeld war der Herzog der Besitzer des Dorfes, auch das Stift bekannte sich schließlich zur lutherischen Lehre.

    Über Kleinbottwar schweigen die Quellen, doch Ehmer meinte, man könne annehmen, dass die Herren von Plienigen nach dem Augsburger Religionsfrieden 1555 die Reformation eingeführt haben. Der Religionsfrieden gab den Landesherren das Recht, auf ihrem Gebiet die Konfession zu bestimmen (“Cuius regio, eius religio”). Von Steinheim ist bekannt, dass die Nonnen im Kloster Mariental katholisch bleiben wollten, und dort auch bis zu ihrem Tode leben konnten. 1557 kommt dann der erste evangelische Pfarrer in den Ort.

    Prof. Dr. Hermann Ehmer verstand es meisterhaft, die großen weltpolitischen Dinge mit den regionalen Ereignissen in Verbindung zu bringen, und so aufzuzeigen, dass die Reformation eine lange, unruhige und mühsame Prozedur darstellte, die mindestens eine Generation lang gedauert hat.

    (Markus Pantle, 29.10.2017)